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Energie? Machen wir selber.

Im Westmünsterland ist die Energiewende in vollem Gange: Landwirt Benedikt Wichmann aus Dülmen erntet Biogas und Solarstrom. Vom Coesfelder Bürgerwindpark BWP Flamschen berichtet dessen Geschäftsführer Christoph Woltering – und Bürgermeisterin Eliza Diekmann freut sich, dass Coesfeld derzeit deutschlandweit als Vorzeige-Windkraftstandort gilt.

Energie als Erwerbsquelle

Biogasanlagen nutzt die Landwirtschaft schon seit Jahren. Auch Benedikt Wichmann hätte an seinem früheren Standort in Dülmen-­Merfeld gern eine installiert – doch dafür reichte der Platz nicht. Als Wichmann jedoch wegen der Trassenführung der B67n seinen Betrieb verlagern musste, ergriff er die Chance, sich in jeder Hinsicht zukunftssicher aufzustellen.

„Energiewirtschaft ist für uns Landwirte ein hervorragendes zweites Standbein, aber man braucht auch den Platz dafür.“ Heute hat er ihn, denn beim Standortwechsel konnte er durch den Neubau der Hofstelle seinen Betrieb erheblich vergrößern und den Ferkel­aufzuchtbetrieb auf vier Standorte ausdehnen. Parallel investierte Wichmann kräftig in Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien.

6.700 Megawattstunden

Seine neuen Photovoltaik- und Biogasanlagen sind bereits in Betrieb, eine Windkraftanlage ist in Planung. 6.700 Megawatt­stunden erzeugt Wichmann schon jetzt jährlich: Energie, die er vor allem in Wärme umwandelt. Damit kann er nicht nur sein Wohnhaus und die Abferkelställe energieautark beheizen, sondern auch Nachbarbetriebe beliefern – und demnächst vielleicht auch die Stadt Dülmen. Mit ihr führt er derzeit Gespräche über die Anbindung möglicher Abnehmer.
„Die Erzeugung erneuerbarer Energien vor Ort ist ein zentraler Faktor auf dem Weg zur Klimaneutralität.“

Benedikt Wichmann

Klimaneutral für Dülmen

Denn über kurze Strecken lässt sich Wärme gut transportieren – gespeichert in einem Container mit spezieller Salzlösung. Ins Gespräch kam diese Möglichkeit bei den Treffen der Bürger Energie Dülmen eG (kurz: BEDeG), deren Vorstandsvorsitzender Wichmann ist.

Für Dülmens Bürgermeister Carsten Hövekamp ist die Gründung dieser Energiegenossenschaft „ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg zur klimaneutralen Kommune, die wir bis spätestens 2035 werden möchten“. Jeder Dülmener, jede Dülmenerin kann über den Erwerb von Genossenschaftsanteilen stimmberechtigtes Mitglied der BEDeG werden: So will man in bester genossenschaftlicher Tradition gemeinsam alle Projekte voranbringen, die den CO₂-Fußabdruck Dülmens verringern. Und die Erzeugung erneuerbarer Energien vor Ort, sagt Wichmann, sei dabei ein zentraler Faktor.

„Jeder Anlieger konnte sich mit Kapital beteiligen, musste es aber nicht – und jeder hatte bei der weiteren Planung dasselbe Stimmrecht.“

Christoph Woltering

Windhauptstadt Coesfeld

In Coesfeld ist Windkraft schon seit langem die erneuerbare Energie der Wahl. Seit 2021 der Windpark Letter Bruch ans Netz ging, deckt die Stadt rechnerisch mehr als 100 Prozent ihres Eigenbedarfs aus eigener Windenergie.

Bürgerwindpark Flamschen

Während der Windpark am Letter Bruch gemeinsam mit der SL NaturEnergie errichtet wurde, wählte der Coesfelder Bürgerwindpark (BWP) Flamschen einen anderen Weg, schildert dessen Geschäfts­führer Christoph Woltering: „Ein großer Partner bringt viel Know-how und Erfahrung mit, mindert im Gegenzug aber auch den Ertrag.“ Entsprechend stellten er und seine Mitstreiter ihr Projekt in Eigenregie auf die Beine – und nahmen die Anlieger mit ins Boot.

Im Schulterschluss

„Es ist klar, dass man als Nachbar solcher Windkraftanlagen viele Fragen und auch Vorbehalte hat. Deshalb haben wir von Anfang an den Schulterschluss gesucht und in vielen Gesprächen Überzeugungsarbeit geleistet.“ Zudem machten Woltering und seine Mitbetreiber allen dasselbe, faire Angebot: „Jeder Anlieger konnte sich mit Kapital beteiligen, musste es aber nicht – und jeder hatte bei der weiteren Planung dasselbe Stimmrecht.“

Diese Planung hatte es allerdings in sich, erinnert sich Woltering: Zwar fand sich durch glücklichen Zufall ein technisch erfahrener Begleiter, der mit ins Risiko ging. Doch die Genehmigungsverfahren zogen sich über neun Jahre hin. „Diese Dauer ist nicht nachvollziehbar und muss deutlich verkürzt werden, wenn die Energiewende gelingen soll“, resümiert er.

Super Bilanz

Inzwischen laufen die Windkraftanlagen und produzieren so viel Strom, wie 14.000 Haushalte verbrauchen. Schon nach einem Jahr konnten die Beteiligten sich über zweistellige Ausschüttungen freuen. Auf den neun Hektar Ausgleichsfläche, die der BWP anzulegen hatte, sind wunderbare, artenreiche Biotope entstanden. Und demnächst bekommt jeder Anlieger eine App aufs Handy, mit der er „sein“ Windrad ausschalten kann für den Fall, dass der Schattenwurf beim Kaffeetrinken auf der Terrasse stört. Bisher, so Woltering, bekomme er jedoch nur besorgte Anrufe, wenn eine Anlage mal nicht laufe.

„Als einer der größten Windkraftstandorte bundesweit kann Coesfeld Blaupause sein für die Energiewende: Wir bekommen viele Anfragen von anderen Städten und Gemeinden, die unsere Erfahrungen teilen möchten. Wir hatten das große Glück, dass alle Beteiligten mit­gezogen haben, insbesondere auch die Anlieger – ihnen gilt mein besonderer Dank. Am Ende ist es ein Win-Win-Deal für alle, denn viele haben mit investiert, und von den Erträgen der Anlage am Letter Bruch profitiert auch die Bürgerstiftung Coesfeld. Allerdings war es ein weiter, beschwer­licher Weg: Über zehn Jahre vom ersten Antrag bis zur Genehmigung sind definitiv zu lang."

Eliza Diekmann, Bürgermeisterin, Coesfeld

Bürgerwindpark Flamschen: grüne Energie und Artenschutz

Im Coesfelder Bürgerwindpark Flamschen sind nicht nur neun Windkraftanlagen entstanden, sondern auf 9 Hektar Ausgleichsflächen auch Biotope für seltene Arten – Mikro-Landschaftsräume von hoher Attraktivität. Die erforderlichen Grundstücke wurden von Mitgliedern des BWP Flamschen bereitsgestellt, die artengerechte Anlage von einem Fachunternehmen begleitet und die Wirksamkeit durch mehrere Gutachten belegt.

Die Bilder sind direkt nach der Anlage der Flächen entstanden, inzwischen sind die auf ihnen sichtbaren Strukturen gänzlich unter der Vegetation verschwunden: „Das sind ganz wunderschöne Biotope, die die Artenvielfalt schützen und fördern und uns allen große Freude machen“, sagt Christoph Woltering vom BWP Flamschen.

3,3 Hektar groß ist die „multifunktionale“ Ausleichsfläche, die tagsüber den Waldschnepfen und nachts den Uhus dient. Zusätzlich haben die Waldschnepfen ein eigenes Feuchtbiotop bekommen. Sehr interessant ist auch die Ausgleichsfläche für den Wespenbussard, denn sie wurde besonders attraktiv für Wespenvölker gestaltet – quasi als „Buffet“ für die geflügelten Insektenjäger. Und das ist reich gedeckt, denn trotz der trockenen Sommer haben sich hier bereits im ersten Jahr etliche Völker angesiedelt.

Und schließlich genießen auch die letzen Kiebitze des Münsterlandes hier besonderen Schutz: Der Acker, auf dem die Tiere lebenslang ihre Brutplätze haben, wird erst ab Ende Mai bewirtschaftet, so dass der Kiebitz-Nachwuchs in Ruhe groß werden kann.